Die Geisterbraut

 

An einem Platz, an dem unser Dorf stand, starb ein Mädchen, kurz bevor der Stamm zur Jagd aufbrach. Als es tot war, legte man ihm die schönsten Kleider an, und bald danach ritten die  Krieger des Stammes fort zur Jagd.

Eine Gruppe junger Männer war zu einem anderen Stamm auf Besuch geritten und sie kamen erst zurück, als das Mädchen schon gestorben und die anderen Krieger ausgeritten waren. Die meisten Männer dieser Gruppe kehrten jedoch nicht ins Dorf zurück, sondern schlossen sich der Jagdgesellschaft an und ritten mit ihr. Aber einer der jungen Männer war in das Mädchen, das gestorben war, verliebt gewesen. Er ritt allein zurück ins Dorf. Alles schien leer und verlassen, aber schon von weitem sah er jemanden auf der Spitze einer Hütte sitzen. Als er näher kam, erkannte er, dass es das Mädchen war, das er liebte. Er wusste nicht, dass es tot war, so wunderte er sich, es hier ganz allein zu sehen, denn der Tag war nahe, an dem er ihr Mann und sie seine Frau werden sollte. Als sie ihn heranreiten sah, stieg sie von der Spitze der Hütte herab und ging in die Hütte hinein. Er folgte ihr in die Hütte und fragte sie, warum sie hier ganz allein im Dorf wäre. „Ich habe Streit mit meinen Verwandten gehabt“ antwortete das Mädchen, „da sind sie fortgezogen und haben mich zurückgelassen“.

Der junge Mann wollte mit ihr schlafen, aber sie sagte: „Nein, nicht jetzt, später, wenn wir verheiratet sind. Hab jedoch keine Angst, denn es werden hier heute Nacht Tänze stattfinden; die Geister werden tanzen“. Das ist eine alte Sitte bei den Pawnee. Wenn sie tanzen, ziehen sie von Hütte zu Hütte mit Gesang und Geschrei.

Jetzt, da der Stamm das Dorf aufgegeben hatte, waren die Geister hier eingezogen. Der junge Mann hörte sie durch die leeren Gassen gehen. Sie kamen auch in die Hütte, in der er sich aufhielt. Sie tanzten um ihn herum und johlten, und manchmal kamen sie ganz nahe an ihn heran.

Am nächsten Morgen überredete der junge Mann das Mädchen, ihm zu folgen. Er wolle sich den anderen Kriegern anschließen, die auf die Jagd gegangen waren. Sie brachen zusammen auf und sie versprach ihm, dass sie gewiss seine Frau werden will, aber nicht, ehe es Nacht geworden sei. Sie holten den Trupp der Jäger ein, aber ehe sie ins Lager kamen, blieb das Mädchen stehen und sagte: „Jetzt sind wir angekommen, aber du musst erst in das Dorf gehen und für mich ein Lager bereiten. Richte es so ein, dass ich hinter einem Vorhang schlafen kann. Vier Tage und vier Nächte muss ich hinter dem Vorhang bleiben. In dieser Zeit darfst du nicht mit mir sprechen und meinen Namen niemandem gegenüber erwähnen.“

Der junge Mann ließ es zurück und ging in das Lager. Er suchte seine Hütte auf und bat eine Frau aus seiner Verwandtschaft, zu einer bestimmten Stelle zu gehen und dort eine Frau abzuholen, die auf ihn wartete. Die Verwandte wollte wissen, wer diese Frau sei, aber es gelang ihm, den Namen nicht auszusprechen. Er nannte jedoch den Namen des Vaters und der Mutter des Mädchens. Die Verwandte war sehr erstaunt und sagte: „Das kann nicht sein, die Tochter dieses Mannes und dieser Frau ist einige Tage bevor wir aufbrachen gestorben.“

Als die Frau dann zu der beschriebenen Stelle ging, konnte sie das Mädchen nicht finden. Es war verschwunden. Es war nämlich ein Geist gewesen. Hätte er gehorcht und  nicht gesagt, wer sie ist, so wäre ihm ein zweites Leben auf der Erde geschenkt worden.

In derselben Nacht starb der junge Mann im Schlaf. Da sagten die Krieger des Stammes:“ Es muss doch noch ein anderes Leben geben als das, welches wir hier auf dieser Erde führen“.

 

 

 

 

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